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Unser Wiesenfest „Für Os Pänz“ feierte im Jahr 2011 Geburtstag: Seit nunmehr 40 Jahren wird im „Dörf“ an Pfingsten dieses traditionelle Kinderfest veranstaltet, dessen Ruf längst weit über unsere Gemeindegrenzen hinaus gedrungen ist. Das farbenfrohe Treiben lockt mit attraktiven und ständig erweiterten Angeboten die Besucher in Scharen zum Festgelände „Auf dem Stein.“ Vor 40 Jahren waren die Attraktionen eher bescheiden, die Begeisterung bei Veranstaltern und Besuchern war unterdessen nicht geringer als heute. Über den „Lebenslauf“ der beliebten Veranstaltung geben die Festschrift und auch der Dörfer Heimatbote Nr. 38 umfassende Auskunft. Im vorliegenden Beitrag soll nun ein wenig in Erinnerungen gekramt werden.
Im Gegensatz zu früher scheint ein Kinderfest für unsere lokale Presse heute kaum noch berichtenswert zu sein. Wann hat man zuletzt über das Dörfer Wiesenfest in der Zeitung lesen können? Das ist schon eine gute Weile her. Zu „Vo-Zeiten,“ von 1970 bis 1995, war das ein wenig anders. Besonders intensiv war die Berichterstattung während der ersten 20 Jahre. In der Rundschau wurde regelmäßig über die Wiesenfeste berichtet und die Versammlungen der Interessengemeinschaft kommentiert. Der Redakteur runzelte zwar von Jahr zu Jahr immer intensiver die Stirn und stellte fest: „Alle Jahre wieder Dörfer Wiesenfest,“ aber er kürzte die Manuskripte nur selten und dann „in Maßen.“ Über das erste Fest beispielsweise gab es 165 Vo-Zeilen, dazu schoss Peter Felten vier schöne Fotos. Ein Jahr später waren es 157 Zeilen und drei Bilder. Heute gibt es bestenfalls ein Foto mit fünf Bildtextzeilen, meistens aber glänzen die Berichterstatter unserer Zeitungen durch Abwesenheit.
Im Vergleich zu den heutigen Attraktionen, waren die anfänglichen Angebote beinahe primitiv zu nennen, die Festbesucher aber, und ganz besonders die Kinder, hatten garantiert nicht weniger Spaß und Vergnügen als heute. Sackhüpfen, Hürden- und Eierlaufen, Stangenklettern, Büchsen- und Luftballonwerfen, Torwand, Angelspiel, Kegelbahn und eine Verlosung waren damals nicht weniger reizvoll als heute mächtige Hüpfburgen, Bungee-Run und Bullenreiten. Und eine ganz besondere Attraktion waren 1971 die Fußballkämpfe der Thekenmannschaften Kölsch und Pils sowie Funkengarde und Damenkegelclub. Die Dabeigewesenen erinnern sich gerne daran.
Johann „Klobbe“ Friederichs kommentierte damals das Fußballgeschehen auf dem Stein, seine Reportage erinnerte an die Begeisterung von Herbert Zimmermann, der im Jahr 1954 im Hörfunk live über das „Wunder von Bern“ berichtete, als Deutschland zum ersten Mal Fußball-Weltmeister wurde. Uns allen klingt es noch im Ohr: „…Rahn müsste schießen, Rahn schießt, Tooor, Tooor, Tooor“ und wenig später „aus, aus, das Spiel ist aus, Deutschland ist Weltmeister.“ Ganz so aus dem Häuschen wie Herbert Zimmermann geriet Klobbe zwar nicht, begeistert war er aber nicht weniger. Ab und zu sprang der Ball ins Aus, kullerte den Abhang hinunter und musste mühsam wieder zurück geholt werden. Klobbe stellte dazu fest, dass allein schon aus diesem Grund eine neue Spielwiese für Blankenheimerdorf erforderlich sei. Die Fertigstellung des geplanten neuen Sportplatzes durch die Gemeinde Blankenheim war 1969/70 die Voraussetzung für den Beitritt unserer Ortschaft zur neuen Großgemeinde.
Einige Spiel- und Unterhaltungsangebote aus den ersten Wiesenfestjahren haben sich bis heute „gehalten“ und finden immer noch Zuspruch, zum Beispiel der gute alte Nagelbalken, der auch heute noch „in“ ist. Ein begeisterter „Nagel-Fan“ war damals unser Bürgermeister Toni Wolff, sein erster Weg auf der Festwiese führte ihn unweigerlich zum Nagelbalken. Von 1973 bis 1978 kam Gemeindedirektor Peter Reger regelmäßig für ein Stündchen von Kall zu uns herüber, „Wolefs Tünn“ und „Rejer-Pitter“ trugen am Nagelbalken regelrechte Wettkämpfe aus. Peter Reger starb leider am 10. Dezember 1978 an den Folgen eines im Dienst erlittenen Verkehrsunfalls. Im Jahr 1980 fehlte aus nicht mehr zu ergründendem Anlass die Nagelattraktion beim Fest, Toni Wolff war geradezu untröstlich. Beim Wiesenfest 1972 wurden übrigens gute fünf Kilo „Dreizöller“ vernagelt.
Ein kleines Abenteuer fällt mir ein: Werner „Cave-Man“ Schnichels und ich holten im Schmidtheimer Sägewerk einen nagelneuen Nagelbalken ab. Er ragte meterweit über die Heckklappe meines Kombi-PKW hinaus und wippte bedenklich. Mit Cave-Man als „Kontergewicht“ auf dem Balken im Laderaum kamen wir aber heil auf dem Stein an. Vor 30 und mehr Jahren ging das noch, da nämlich war der lange Arm des Gesetzes noch nicht so allgegenwärtig wie heute, und wir hatten Glück. Mit einem solchen „Fuhrwerk“ heutzutage die fast schon berüchtigte B.51 zu befahren, wäre geradezu Selbstmord.
Abenteuerlich war auch das „Kötte“ bei der Geschäftswelt um Sachspenden für die Wiesenfest-Verlosung. Ich erinnere mich da an „Köttgänge“ mit Maria Schnichels, Cave-Man oder Schmitze Walter. Es muss ausdrücklich gesagt werden, dass wir nirgendwo vergeblich anklopften. Selbst die Blankenheimer Geschäftsinhaber hatten eine offene Hand für unser Dörfer Kinderfest. Einen einzigen, als „kniestich“ eingestuften Kunden hatten gab es aber doch. Er beschrieb uns händeringend seine miserable Geschäftslage, Walter verstand unterdessen so treuherzig zu betteln, dass der Mann schließlich in eine verstaubte Kiste unter der Theke griff und beinahe weinend ein winziges Porzellanpüppchen hervorholte: „Dä, on nu maad öch erüß“ (Da habt ihr was und jetzt verschwindet). Ganz umsonst war unser Besuch also auch bei unserem „Kniesuhr“ nicht.
In den ersten Wiesenfest-Jahren waren in den Dörfer Gasthäusern und auch in Blankenheim-Wald Sammelbüchsen aufgestellt, die vor dem Fest geleert wurden und deren Inhalt wesentlich zum Zustandekommen des Kinderfestes beigetragen hat. Die Büchsenleerung war eine „anstrengende“ Angelegenheit, ich erinnere mich an die eine oder andere „Büchsenfahrt“ mit unserem Kassierer Josef Meinen. Wir begannen umsichtigerweise in Blankenheim-Wald, weil wir ja das Auto dabei hatten, das wir im Dorf nicht unbedingt brauchten. Die von uns „besuchten“ Gastwirte zeigten sich sämtlich recht großzügig, es konnte Stunden dauern, bis wir wieder daheim waren, - in der Regel ziemlich gut gelaunt. Um eventuellen „Rückschlüssen“ vorzubeugen: Meinens Jüpp besaß den Büchsenschlüssel, der Behälter wurde in Anwesenheit des Gastwirts geöffnet und der Inhalt gezählt. Die Summe wurde von uns Dreien schriftlich bestätigt, der Beleg kam für die Kassenprüfer zur Jahresrechnung.
Die Mitwirkung von Spielmannszug und Musikverein war in früheren Wiesenfestjahren Ehrensache und eine Selbstverständlichkeit und trug wesentlich zur Festgestaltung bei. Die Pausen zwischen den einzelnen Darbietungen füllten wir mit Tonbandmusik aus. Je nach Position der Lautsprecher, war die Musik im Dorf noch gut zu hören. Live-Musik macht eine Veranstaltung lebendig und gemütlich zugleich, heute vermisst man sie leider hier und da.
Viele Jahre lang gehörte auch der Platzsprecher zum Wiesenfest. Er begrüßte die Gäste, kommentierte den Programmablauf, bediente die Musikanlage und tätigte bei Bedarf besondere Durchsagen. Beim Fest 1983 beispielsweise brachte der damals zwölf- oder dreizehnjährige Jürgen Friesen eine Geldbörse zum Platzsprecher, ganz aufgeregt: „Da ist viel Geld drin.“ Es waren so um die 70 D-Mark, damit hätte sich herrlich Wiesenfest feiern lassen. Nach der Lautsprecherdurchsage meldete sich die Verliererin, nahm hocherfreut ihre Börse in Empfang und überhörte dabei angelegentlich den Appell des Platzsprechers an ihre Großzügigkeit dem ehrlichen Finder gegenüber. Jürgen nämlich erzählte mir später, dass er mit ein paar armseligen Groschen abgespeist wurde. Anders dagegen Wiesenfest-Chef Wilfried Meyers: Der spendierte als Anerkennung ein paar Verzehrbons für den Imbiss-Stand.
Etliche Jahre lang war Hans „Hääp“ Klaßen Platzsprecher. Er baute sich einen „Ansageturm,“ etwa drei Meter hoch, der ihm einen hervorragenden Überblick über das Geschehen auf dem Festgelände verschaffte und von dem herab es sich gut kommentieren ließ. Der spätere Turm war nicht mehr so hoch, dafür aber zerleg- und transportierbar und mit einem Tisch für die Musikanlage. Einmal hatte ich ein Tonband mit Marschmusik aufgelegt. Nach „O du schöner Westerwald“ meldete sich ziemlich ungehalten Pastor Ewald Dümmer bei mir: „Militärmusik gehört nicht aufs Kinderfest.“
Werbung bei Veranstaltungen dörflicher Art war in den 1970er Jahren noch nicht so an der Tagesordnung wie heute. Die Hääp ließ sich zugunsten der Wiesenfestkasse etwas Besonderes einfallen. Gegen eine Spende von 20 DM fertigten wir Papptafeln im Format A-0 mit dem Namen oder Logo des Spenders und stellten sie auf dem Festplatz aus. Viele Firmen oder Geschäftshäuser machten von dem Angebot Gebrauch, allein schon dem Kinderfest zuliebe. Frau Heidrun Roederstein übernahm damals die künstlerische Gestaltung der Werbeflächen.
In den 1980er Jahren war Nikolaus Stadtfeld aus Baasem mit seinem Pferdegespann beliebter Dauergast bei Für Os Pänz. Hans-Jürgen Bouhs hatte ihn fürs Wiesenfest angeworben und „Niko“ gefiel es bei uns ausgezeichnet. Seine „Westernfahrten“ waren ständig ausgebucht, seine beiden lebendigen „PS“ ließen sich streicheln, man konnte sie mit Süßem verwöhnen und das gefiel den kleinen Passagieren. Niko selber wunderte sich, woher die „Pänz“ so schnell an die Zuckerklümpchen kamen. Die hatten sie wohlweislich von daheim mitgebracht weil sie wussten, dass die Pferdekutsche wieder da sein würde.
Im Jahr 1989 erlebten wir beinahe ein Fiasko. Donnerstagabend vor Pfingsten genoss ich bei Friesens Herbert ein Feierabendbier, als aufgelöst und den Tränen nahe Schmitze Walter herein stürzte: „Aus, aus, wir müssen das Wiesenfest absagen, der Platz ist versaut.“ Eine wandernde Schafherde hatte auf dem Stein ihre duftenden Spuren hinterlassen, Walter hatte soeben die Bescherung entdeckt. In Herberts „Büro“ neben der Theke stand das Telefon, in wenigen Sekunden hatte ich Toni Wolff an der Strippe, der zehn Minuten später die „Sauerei“ in Augenschein nahm. Eine halbe Stunde lang „grasten“ wir in Tonis Auto die Dorfumgebung ab, fanden unterdessen keine Schafherde, nur deren saftige Hinterlassenschaften.
Uns lief die Zeit davon: Noch zwei Tage bis zum Fest, absagen oder Ersatz beschaffen? Der neue Sportplatz? Für Otto Breuer, den Vorsitzenden der Sportler, war das überhaupt kein Thema: „Selbstverständlich kommt ihr auf den neuen Platz.“ Ein für den Samstag angesetztes Alte Herren-Fußballspiel wurde kurzerhand nach Ripsdorf verlegt, der Vorsitzende selber entfernte einen Teil der Platzeinzäunung, damit unsere Wiesenfestbahn ihre Runden drehen konnte. Das nagelneue Sportlerheim wurde uns mit allen Einrichtungen zur Verfügung gestellt, - noch heute sind die damaligen Festveranstalter dem Sportverein dankbar. Ohne dessen Entgegenkommen wäre das Wiesenfest 1989 ausgefallen. Toni Wolff hatte noch versucht, durch Bearbeiten der „veschaften“ Fläche mit seiner „Bähneschlejf“ Abhilfe zu schaffen, die „Sauerei“ war aber nur noch intensiver dadurch geworden.
Bis zur Fertigstellung der Ver- und Entsorgung des Festgeländes Anfang der 1990er Jahre, war die Veranstaltung mit erheblichem Aufwand verbunden. Wasser und Strom mussten über 100 Meter lange Schlauch- und Kabelleitungen auf den alten Sportplatz geschafft werden, eine echte Knochenarbeit in dem steilen Hanggelände. Im ersten Jahr gab es noch keinerlei Entsorgung und das machte sich im angrenzenden Wald unliebsam bemerkbar. Dann gab es, abseits gut im Gebüsch versteckt, ein Plumps-Bretterbüdchen, als Notlösung, die sich aber deutlich bewährte. Danach kam dann ein Toilettenwagen zum Einsatz, der in 1993 im Zusammenhang mit dem Bau der Grillhütte durch die heutige ortsfeste Anlage abgelöst wurde. Die Ver- und Entsorgung wurde zum Großteil durch die IG Wiesenfest finanziert.
Die ortsfesten offenen Buden waren aus erbetteltem Holzwerk errichtet worden. Was beim Fest darüber hinaus an Baumaterial oder Gerätschaften benötigt wurde, musste ganzjährig irgendwo gelagert werden. Hierfür stellte dankenswerterweise Erich Krings seine Scheune zur Verfügung. Es war jedes Mal eine ganze Fuhre Zeug, das da zu transportieren war. Für den Auf- und Abbau der Einrichtungen wurden naturgemäß Arbeitskräfte gebraucht, die sich manchmal nur zögerlich einfanden. Ein zuverlässiger Helfer war unter anderem Paul Stollenwerk, der jede anfallende Arbeit übernahm und auch ordentlich ausführte.
Anfang Juni 1991 überreichte der damalige Wiesenfest-Chef Walter Schmitz im Kreis-krankenhaus Mechernich 3.000 DM an Dr. Jörg Schriever, den Leiter der Kinderstation. 2.500 DM hatte die Mitgliederversammlung für die Kinderstation ursprünglich genehmigt. Ein Drehorgelspieler aus Kalterherberg trat beim Kinderfest auf und sammelte bei seinen Darbietungen 474,43 DM. Die spendete er dem Wiesenfest, aus dessen Kasse auf 500 DM aufgerundet und damit die Kranken-hausspende auf 3.000 DM erhöht wurde. Dr. Schriever führte uns durch die Station. In zwei hochmodernen Inkubatoren lagen „Frühchen,“ zwei 30 Zentimeter große und 800 Gramm schwere Menschlein, deren Anblick uns mächtig beeindruckte. Schmitze Walter sprach uns beim Abschied aus der Seele: „Hier ist unser Geld bestens angelegt.“ Dr. Schriever selber gab uns eine bemerkenswerte Versicherung mit auf den Weg: „Solange ich hier das Sagen habe, gibt es auf unserer Station Abtreibungen nur im Notfall.“
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