Erinnerungen Blankenheimerdorf im August 2019
Johann Vossen
Es war gewiss eine wohlmeinende Schicksalsfügung, dass ich vor einigen Wochen einem angenehmen und sympathischen Mitmenschen begegnete, mit dem mich eine ganze Menge Kindheitserinnerungen verbinden, ohne dass wir beide bisher davon gewusst hätten. Wir kannten uns nicht einmal, der reine Zufall führte uns zusammen. Oder ein Unsichtbarer hatte seine Hand im Spiel und half dem Zufall ein wenig nach, ein Freund und Helfer, von dem in meinen Beiträgen noch die Rede sein wird.
Wie klein ist doch die Welt! Mein neuer Bekannter heißt Bernd, ich habe seinen Vater noch aus meiner Kinderzeit in Nonnenbach gut in Erinnerung. Bernd wurde geboren, nachdem meine Familie nach Blankenheimerdorf umgezogen war. All die Jahre sind wir uns nie begegnet, wir wussten gar nicht voneinander, bis uns jetzt der Zufall zusammenführte. Das war eine Freude! Bernd kennt noch fast alle die alten Nonnenbacher, die mir aus meiner Kinderzeit im Gedächtnis sind, Namen wie etwa „Knubbe Thuëres“ oder „Ewe Hein.“ Er kennt auch noch die häuslichen Eigenheiten und dörflichen Besonderheiten. Stundenlang haben wir uns über „damals“ unterhalten, wir schwelgten geradezu in Erinnerungen an unsere Kinderjahre.
Schon seit längerer Zeit trug ich mich mit dem Gedanken, Erinnerungen aus meinem Leben ganz einfach niederzuschreiben und damit zu „konservieren.“ Möglicherweise, so rechnete ich mir selber vor, könnte ja die Nachkommenschaft irgendwann einmal Interesse für die Geschichten aus dem Dasein des Erzeugers aufbringen und im „Erinnerungsordner“ blättern. Lange Zeit war ich unschlüssig, ob derartige Aufzeichnungen überhaupt sinnvoll seien. Nachdem ich aber jetzt meinem neuen Freund Bernd begegnete, gab es kein Zögern mehr. Im Grunde ist die Sache ja auch sehr einfach: Wem meine Geschichten nicht zusagen, der muss sie ja nicht lesen, niemand zwingt ihn dazu.
Im Leben eines jeden Menschen gibt es eine unendliche Vielzahl an Erlebnissen und persönlichen Erfahrungen, die eigentlich nicht für die Öffentlichkeit geeignet wären. Andererseits sind es gerade die persönlichen Geschichten, die der Nachwelt einen Einblick in die Vergangenheit zu vermitteln vermögen. Chronisten, Heimatforscher und Lokalautoren sind oftmals auf persönliche Notizen, Vermerke und Aufzeichnungen angewiesen. Ich selber war zwölf Jahre Chronist beim Dörfer Geschichts- und Kulturverein und weiß, wie wertvoll selbst eine Notiz auf dem Zeitungsrand sein kann.
Eigentlich besteht unser gesamtes Dasein aus Erinnerungen. Unser Leben ist eine einzige Folge von Ereignisabläufen, die sich je nach dem Grad ihrer Eindruckskraft als Erinnerung in unserem Bewusstsein verankern und ständig abrufbar bleiben. Mit der Zeit freilich „erlahmen“ die Speicherzellen in unserem Gehirn, sie nutzen sich ab und unsere Erinnerung lässt nach. Erstaunlich dabei ist: Lange zurückliegende Ereignisse sehen wir vor uns, als seien sie erst gestern geschehen, während Geschichten jüngeren Datums vollständig vergessen sind.
Was ich in meinen „Erinnerungen“ zusammengetragen habe, ist absolut nichts Weltbewegendes. Vielmehr sind es persönliche Alltags-Kleinigkeiten. Wer sie möglicherweise später einmal liest, mag durchaus hier und da sein weises Haupt schütteln. Trotzdem denke ich, dass ich mit meinen Aufzeichnungen der Nachwelt einen kleinen Einblick in eine Zeit vermitteln darf, in der es trotz fortgeschrittenen Lebensstandards auch noch ein paar nostalgische Überbleibsel aus den Tagen unserer Eltern und Großeltern gab. Und die gilt es zu konservieren.
Die Beiträge sind absolut willkürlich und ohne jede Ordnung aneinander gereiht, ganz einfach so, wie mir gerade ein Thema einfällt. Dabei spielt der Zeitpunkt keine Rolle: Vor 80 Jahren Erlebtes kann sehr wohl neben dem Ereignis von vorgestern stehen, einzige „Ordnung“ ist die Auflistung der Beitragstitel in alphabetischer Reihenfolge. „Aus dem Leben geschrieben“ ließen sich die „Erinnerungen“ sehr wohl auch betiteln, so wie ich die Dinge erlebte, habe ich sie aufgeschrieben, für den Wahrheitsgehalt verbürge ich mich. Auf Bilder und Fotos verzichte ich absichtlich angesichts von Urheberrecht und Datenschutz. Beanstandungen und Regressforderungen sollen gar nicht erst aufkommen. Bei Fremdzitaten im Text wird in jedem Fall der betreffende Autor erwähnt.
Themen gibt es buchstäblich „ohne Ende,“ ihre Zahl ist unbegrenzt. Die Auswahl fällt ziemlich schwer, ich will versuchen, „für jeden etwas“ zu schreiben, hoffentlich gelingt mir das. Mein ganzes Leben lang habe ich immer gern geschrieben. Noch funktioniert die „Kopfarbeit,“ wenn auch der Zahn der Lebenszeit am 84-jährigen „Gerüst“ zu nagen beginnt. Und auch eine lebensnotwendige „extrakorporale Dialyse“ geht nicht spurlos am menschlichen Körper vorüber. Vorerst aber „läuft es noch, “ wie lange noch? Nutzen wir die Zeit für ein paar Erinnerungen.
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