30 Jahre „Nikolausdienst,“ das ist schon ein besonderes Ereignis. Ludger Schneider aus Blankenheimerdorf feierte in 2011 dieses seltene Jubiläum: Seit 1981 besucht und beschenkt er die „Dörfer“ Kinder und ist auch in der näheren Umgebung gelegentlich als „Heiliger Mann“ gern gesehener Besuch. Sein ständiger Weggefährte ist der Knecht Ruprecht, der in Österreich „Krampus“ heißt und den wir „Hans Muff“ nennen. Unser Dörfer Hans Muff ist noch dienstälter als sein „Chef“: Seit 42 Jahren steckt Wilfried Meyers im kohlschwarzen Kostüm des getreuen Dieners. Er hat bereits unter Hans „Hääp“ Klassen „gedient“ und ist der Nachfolger von Meinrad Koch. Ludger trat die Nachfolge von Hans Klassen an.
Der allgemeine Trend unserer computergesteuerten Zeit zielt vielfach auf die Abschaffung des „antiquierten“ Nikolausbrauchs ab. Der Heilige Mann ist nicht mehr „in“ weil er die Kinder fragt, ob sie auch „brav“ waren und weil sich die Kleinen vor den beiden kostümierten Gestalten fürchten. „Bei uns wird der Brauch nicht abgeschafft,“ versichert unterdessen das Dörfer Nikolausgespann einmütig, solange die Gesundheit es erlaubt und „solange uns die Eltern haben wollen,“ bleiben die Beiden im Amt und halten den schönen alten Brauch im heimischen Dorf „am Leben.“
Alljährlich freuen sich Ludger und Wilfried lange im Voraus auf den Nikolaus-Einsatz. Meist sind sie an zwei Abenden unterwegs, überwiegend im eigenen Dorf. Aber auch in Blankenheim waren sie schon, in Mülheim, in Roder (Gemeinde Kall) und auf den Schmidtheimer Aussiedlerhöfen. Im Schnitt besuchen sie um die 20 Familien, mal mehr, mal weniger. Beim Diensteinsatz sind gelegentlich größere Wegstrecken zu bewältigen und hierbei erwiesen sich Nikolaus-Ehefrau Bruni und Muff-Tochter Sonja in der Vergangenheit oft als hilfreiche Himmelsgeister mit sehr irdischen Autos. Auch der himmlische Besuch hat Spesen zu verzeichnen, deren Begleichung in irdischer Währung gerne akzeptiert wird. Schönster Lohn ist unterdessen die Freude der Kinder, Ludger und Wilfried: „Es macht uns Freude, wenn wir Anderen Freude bereiten können.“
Der Dörfer Nikolaus und sein schwarzer Begleiter sind alles andere als ein Kinderschreck. Eine solche Rolle würden sie nie und nimmer übernehmen. Und schon gar nicht wollen die Beiden den Nikolaus als „Weihnachtsmann“ mit roter Zipfelmütze verstanden wissen. Der Dörfer Nikolaus ist ein gütiger Bischof, der in erster Linie die guten Taten belohnt. Der heilige Nikolaus von Myra war ja auch tatsächlich ein Bischof. Dem entspricht das von Ludgers Schwiegermutter genähte Nikolausgewand: Lilafarbene Bischofskleidung. Kein Kind muss sich vor dem Dörfer Nikolaus fürchten, der Heilige Mann hat generell nur freundliche Worte und hochwillkommene Geschenke parat. Freilich muss hier und da auch schon mal eine kindliche Sünde gerügt werden. Das geschieht aber ausnahmslos auf ausdrücklichen Wunsch der Eltern und auch dann noch möglichst moderat, wie Ludger versichert, als strafender Rächer würde er sich niemals hergeben.
Dasselbe gilt voll und ganz für unseren Knecht Ruprecht. Das schwarze Kostüm, die feuerrote Zunge, die Rute, die eiserne Kette und der berüchtigte „Strafsack“ haben für Wilfried Meyers ausschließlich symbolischen Charakter als „Dienst-Ausrüstung,“ die unterdessen nie zur Anwendung kommt. Hans Muff mag ein wenig Furcht einflößend in Erscheinung treten, tatsächlich ist er aber nichts weniger als gefürchtet. In vielen Häusern muß er mit den Kindern herumtoben, sie huckepack nehmen und Runden durchs Wohnzimmer drehen. Kein Kind muß Angst vor dem schwarzen Mann haben. Das Bangemachen aus unserer Kinderzeit gibt es nicht mehr, und das ist gut so.
Anderen Menschen Freude schenken, das ist der Hauptgrund für den jahrzehntelangen Nikolausdienst der beiden gestandenen Dörfer Männer und Familienvätern. Ein wenig denken sie aber auch an sich selber: „Auch wir haben unseren Riesenspaß dabei,“ räumen sie freimütig ein und berichten von unvergesslichen Erlebnissen aus ihrer langjährigen Tätigkeit. Da war beispielsweise einmal der Hans Muff abhanden gekommen, als er sich draußen ein Zigarettchen genehmigte und der Nikolaus ihn in der Finsternis nicht mehr wieder fand. Ein anderes Mal hatte der Heilige Mann seinen Bart vergessen, musste aber umgehend vor den Kindern erscheinen und begründete seinen fehlenden Gesichtsschmuck: „Ich war eingeschlafen, in der Zeit haben mich die Engel rasiert und mir den ganzen Bart abgenommen.“ Ein echter Nikolaus hat immer eine plausible Erklärung parat, auch wenn ihm ob der Stubenhitze unter dem Kostüm der Schweiß aus allen Poren bricht und eine Abkühlung dringend erforderlich ist, damit die Vorstellung nicht platzt: „Ich muß ganz schnell mal nachschauen, ob die Geschenke auch bereit liegen.“
Ob nun der Heilige Mann nicht mehr in unsere moderne und „kultivierte“ Welt hinein passt, das mag jeder für sich selber entscheiden. In Blankenheimerdorf ist er immer noch gefragt. Und dass er auch noch ein Weilchen bei uns bleibt, dafür wollen Ludger und Wilfried sorgen, solange es ihnen möglich ist. „Nikolaus und Ruprecht „zum Anfassen,“ das wünschen sich bei uns Kinder und Eltern gleichermaßen. Wem es Spaß macht, der mag sich an dem zeitgemäßen weiß-roten Zipfelmützenmann ergötzen, der am Seilchen vom Balkon herunter baumelt oder mit Hoohoo-Geschrei über den Weihnachtsmarkt hüpft. Auf den können wir in Blankenheimerdorf verzichten.
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