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15.03.2024




 

Foto: hejo@blancio.de

Herzlich willkommen in Blankenheimerdorf

In der Kolerawekuhl blieben die Rüben frisch

Noch nach dem Krieg baute der Eifeler Kleinbauer alljährlich ein Feld Kohl- oder Steckrüben an: Winterfutter für die Stalltiere. Die bei uns üblichen Kolerawe waren besonders im Krieg und in den Hungerjahren danach, in diversen Zubereitungsformen auch häufig auf dem Eifeler Mittagstisch zu finden. In dicke Scheiben geschnitten, wurden sie von uns Kindern bevorzugt roh verzehrt, das saftige weiße Fleisch schmeckte angenehm süßlich. Die mundartliche Namensgebung ist von Kohlrabi hergeleitet, die bei uns Kolerawe op dr Erd genannt wurden, weil sich die Knolle oberirdisch bildet. Es gab auch gelbe Futterrüben (Runkelrüben), allgemein Knorre oder bei uns auch Rommele genannt, die wir unterdessen verschmähten, weil sie unappetitlich gelb aussahen und eher bitter schmeckten.

Das Kolerawestöck (Rübenacker) entsprach in seiner Größe dem Stalltierbestand, der Bauer wendete dabei hausgemachte Faustregeln an. Dasselbe galt für das Anlegen der Kolerawekuhl (Erdmiete) zur Aufbewahrung und Konservierung der Rüben während des Winters. Für einen kleinbäuerlichen Viehbestand von drei bis vier Stück war die Kolerawekuhl etwa fünf Meter lang, anderthalb Meter breit und 50 Zentimeter tief. Die Kuhl sollte sich möglichst in Hausnähe befinden, bei uns daheim beispielsweise boten sich der Peisch oder der Bongert vor und hinter dem Haus als Standort an. Wo das nicht möglich war, wurde die Erdmiete auf dem abgeernteten Acker angelegt.

Der Anbau von Kolerawe war enorm zeit- und arbeitsaufwendig, weil die Küel (junge Pflanzen)  einzeln von Hand beim Pflügen des Ackers in die Erde gebracht werden mussten, ähnlich dem Kartoffelpflanzen. Es gab Maschinen, die beim Pflügen gleichzeitig die Pflanzen setzten. Dabei musste unterdessen ein zweiter Helfer mit flinken Händen die rotierende Pflanztrommel mit Küel beschicken. Der hohe Arbeitsaufwand mag mit dafür ausschlaggebend gewesen sein, dass der Anbau von Kolerawe fast zum Erliegen kam. Der Großbauer bevorzugt für seine großen Flächen den maschinellen Anbau von Runkelrüben, und Kleinlandwirte gibt es nicht mehr. Die Koleraw ist aus unserem Landschaftsbild verschwunden.

Die heute üblichen Frostschutzfolien gab es zur Zeit unserer Eltern nicht, zum Abdecken der Miete wurde Erde gebraucht, und die beschaffte man sich an Ort und Stelle durch Ausheben einer entsprechend bemessenen Grube. Hierbei wurde naturgemäß ein Teil der an sich oberirdischen Miete in die Erde verlegt, was der Anlage auch zu ihrem Namen verhalf: Kolerawekuhl. Die Grube wurde mit Kolerawe oder Rommele (Rommelekuhl) gefüllt und oberirdisch pyramidenförmig etwa meterhoch angehäuft. Das ganze wurde mit einer dicken Lage Stroh abgedeckt und darüber der Erdaushub verteilt. Die Abdeckung war maßgeblich für die Konservierung der Rüben, bei sorgfältiger Ausführung überdauerten die eingelagerten Früchte den Eifelwinter problemlos und blieben bis ins Frühjahr frisch und saftig.

Im Verlauf des Winters wurde die Kolerawekuhl in bestimmten Zeitabständen geöffnet und Nachschub für den nächsten Fütterungsabschnitt entnommen. Dabei musste in der Regel die steinhart gefrorene Erdabdeckung aufgehackt werden. Die Öffnung wurde möglichst klein gehalten, es genügte, wenn der vierzinkige Jrejf (Stallgabel) hindurch passte, um die Rüben aufspießen und herausbefördern zu können. Abschließend wurde die Entnahmestelle dick mit Stroh verschlossen und notdürftig mit den harten Erdbrocken abgedeckt. Der Bedarf richtete sich naturgemäß nach der Anzahl der Stalltiere, bei uns daheim reichte beispielsweise eine kleine Kastenwagenladung für etwa drei Wochen.

Vor dem Verbrauch wurden die Rüben gewaschen und die anhaftende Erde mit dem Birkenbesen abgeschrubbt. In vielen Eifeldörfern gab es früher den Pötz (Pütz = Dorfbrunnen), dessen steinernes oder eisernes Wasserbecken sich bestens fürs Koleraweweische (Rübenwaschen) eignete. Wo das nicht möglich war, wurde mit beachtlichem Zeit- und Arbeitsaufwand im großen Holzbottich geschrubbt. Wir daheim hatten es besonders leicht: 100 Meter vom Haus entfernt, am Zusammenfluss von Lohrbach und Nonnenbach, gab es eine natürliche Staustelle, in die hinein eine ganze Wagenladung Kolerawe abgekippt werden konnte. Naturgemäß war der Bach zugefroren und das Eis musste aufgehackt werden. Das war unterdessen an der Tagesordnung: Die Staustelle war gleichzeitig Viehtränke, die durchgehend eisfrei gehalten werden musste. Zweimal täglich tranken unsere Stalltiere unbeschadet das eisige Bachwasser.

Nach dem Waschen wurden die Kolerawe frostfrei gelagert. Bei uns geschah das im Foderjang (Futtergang, Raum hinter den Futterkrippen) im warmen Stall. Hier stand auch die handbediente Kolerawemöll (Rübenmühle), deren messerbestückte Walze die Knollen in halbrunde Schnipsel zerkleinerte. Das metergroße Schwungrad mit dem Zweihandschwengel war beinahe größer als wir Pänz (Kinder), die wir uns im Kolerawemahlen versuchten. Bei zu wenig Schwung federte das Rad zurück und der Schwengel donnerte schmerzhaft auf die Kindernase.

Eine Mang (starker Weidenkorb) voll, etwa 10 mittlere Kolerawe, das war bei uns die Tagesration. Sobald einer von uns sich zur gewohnten Tageszeit im Foderjang aufhielt, wurden die Tiere unruhig und schnuffelten begehrlich den Futterschnipseln entgegen, die in ihren Komp (Trog) getan wurden. Bevor sie in die Möll kamen, wurden die Rüben in jedem Fall noch vorbehandelt: Koleraweschrappe. Stück für Stück wurden die Knollen von Hand mit dem breiten Kolerawemetz (Rübenmesser) von den Wurzeln befreit und etwa noch vorhandene Erdreste abgeschrappt. Man sieht: Unseren Tieren wurde das Essen appetitlich serviert.