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15.03.2024




 

Foto: hejo@blancio.de

Herzlich willkommen in Blankenheimerdorf

Unsere Sprechmaschine

Wie ich an anderer Stelle bereits schrieb, besaß mein Vater, Vossen-Hein, eine Vorliebe für das Nichtalltägliche. Ganz besonders faszinierte ihn die Technik und ihre Errungenschaften. Dazu zählten beispielsweise Baukästen der verschiedensten Arten. So erhielt ich Weihnachten 1941 vom „Christkind“ einen kompletten Holzbausatz „Korbuly Matador 3“ geschenkt, dazu kaufte Vater wenig später im Urlaub einen kleinen Elektromotor zum Antrieb der Modellmaschinen, - er hat sich intensiver mit dem Spielzeug beschäftigt als ich selber. Und aus Courcelles in Belgien, wo er im Flugzeugbau dienstverpflichtet war, fragte er in seinen Briefen immer wieder an, was ich alles mit dem „Matador“ gebaut hätte. Ich war nicht wenig stolz: So einen Baukasten besaß niemand sonst in Nonnenbach.

Einmalig im Ort war aber auch das „Adler Dreigang“- Fahrrad, das Vater in 1938 kaufte. Einmalig waren auch die „Agfa Billy-Rekord“- Kamera und das Kleinkalibergewehr „Flobert,“ ebenfalls vor dem Krieg angeschafft. Vossen-Hein besaß nun einmal einen gewissen Hang zum Besonderen und Nichtalltäglichen. In seinem Schreinerberuf verdiente er zwar keine goldenen Berge, unsere kleine Landwirtschaft versorgte uns aber mit den wichtigsten Nahrungsmitteln, Vater konnte sich somit den einen oder anderen Sonderwunsch erfüllen, ohne dass die Familie darunter hätte leiden oder gar darben müssen.

Ein weiteres Hobby meines Vaters und mehr oder weniger auch unserer gesamten Familie, war ein mechanisches Grammophon, eine jener „Sprechmaschinen,“ die im Jahr 1887 von Emil Berliner erfunden und in den 1930er Jahren bis zum „Konzert-Sprechapparat“ entwickelt und modernisiert wurden. Der Name Grammophon ist dem Griechischen entnommen und bedeutet frei übersetzt „geschriebener Ton“ oder auch „Schrift-Sprecher.“ Heute „beschreiben“ wir eine CD oder DVD mit Daten aller Art, damals wurden Schellackscheiben mit Tönen in Gestalt von Rillen „beschrieben“ und damit zu „Schallplatten.“
                                                                                                                  
Dr. Ludwig Schmitz und sein Bautrupp im Jahr 1929
Werbung in einem Kalenderbuch aus dem Jahr 1930























Dr. Ludwig Schmitz

Mein Vater wurde 1902 in Wiesbaum Kreis Daun geboren. Als gelernter Schreiner hat er Ende der 1920er Jahre längere Zeit bei Dr. (agr.) Ludwig Schmitz in Blankenheim gearbeitet, dem Besitzer des späteren „Quellenhofes.“ Vermutlich handelte es sich damals um größere Neu- oder Umbauarbeiten am Gebäude, auf dem Foto aus dem Jahr 1929 nämlich ist Dr. Schmitz (rechts) mit einem achtköpfigen Arbeitertrupp zu sehen. Die leeren Fensterhöhlen im Hintergrund und die Werkzeuge in den Händen der Männer lassen auf Bauarbeiten schließen. Dritter von rechts (der Dünne mit geschulterter Schreinersäge) ist Vossen-Hein, die Dame mit Hut im Vordergrund ist die Gattin von Dr. Schmitz, bei dem Kind handelt es sich vermutlich um Kajo Schmitz. Auf welche Weise damals die Verbindung zwischen dem Blankenheimer Agrarwissenschaftler Schmitz und der kleinen Schreinerei des Johann Vossen (mein Großvater) aus Wiesbaum zustande kam, ist mir nicht bekannt. Immerhin führte dieser Arbeitsauftrag dazu, dass Vossen-Hein aus Wiesbaum und Ursula Plützer aus Schlemmershof zueinander fanden und eine Familie gründeten.


Als meine Eltern im Jahr 1928 heirateten, überraschte sie Dr. Schmitz mit einem ungewöhnlichen Hochzeitsgeschenk: Ein Grammophon, einer der damals modernen mechanischen Sprechapparate mit aufgesetztem riesigem Blechtrichter.
An das Gerät in Betrieb kann ich  mich nicht mehr erinnern, der leere Gehäusekasten stand allerdings noch zu meiner Kinderzeit im Schuppen herum, ebenso der aus dünnem Kupferblech zusammengelötete Trichteraufsatz. Den setzte ich irgendwann einmal als „Rauchabzug“ über ein kleines Holzfeuer. Da schmolz das Lötzinn und der Trichter löste sich in seine Bestandteile auf.

Dr. Schmitz war eine zentrale Figur im Leben meiner Eltern. Wann immer von einem Wohltäter und angenehmen Mitmenschen die Rede war, fiel der Name „Dokter Schmitz.“ Ich meine noch zu wissen, dass Familie Schmitz ab und zu nach Nonnenbach kam, bin mir aber nicht so ganz sicher. An Frau Schmitz, allgemein „Oma Änni“ genannt, kann ich mich noch erinnern, der alten Dame bin ich später mehrfach im „Quellenhof“ begegnet, den damals Hermann Müller führte, der langjährige Blankenheimer Ratsvertreter und Karnevalist.

Noch ein Hobby meines Vaters: Bücher. Das Schreiben lag ihm zwar weniger und mit der deutschen Rechtschreibung hatte er so seine Probleme, aber er las gerne. Dabei war ihm die Materie eigentlich einerlei, er las eben alles, was ihm an Geschriebenem in die Hand geriet. Das hatte Dr. Schmitz offensichtlich auch erkannt, denn er vermachte Vater einen ganzen Stapel Lesestoff, der noch heute existiert und den ich ganz gerne hin und wieder einmal „durchackere.“ Da sind in der Hauptsache landwirtschaftliche und volkskundliche Abhand-lungen, schöne alte Kalenderbücher und Broschüren. Vom Zahn der Zeit gezeichnete Bücher, zum Teil über  200 Jahre alt, - darin zu schmökern macht richtig Spaß und ich kenne sie fast alle auswendig. Das älteste Buch sind die „Moralischen Erzählungen“ aus dem Jahr 1792, gefolgt von „Der braune Robert“ aus 1794. „Der Niederrheinische Hausfreund“ datiert aus 1832 und das „Neujahrsbüchlein“ aus 1837. Ein überaus bemerkenswertes Werk ist das „Reglement über die Errichtung einer Bürgermiliz im General-Gouvernement des Nieder- und Mittel-Rheins“ vom April 1814 mit der zugehörigen „Vorschrift über die Verrichtung und Leistung des Dienstes der Bürger-Miliz besonders in den Städten.“ Diese „Dienstanweisung“ entlockt dem Leser von heute ein vergnügliches Schmunzeln.

Moralische Erzählungen aus dem Jahr 1792Der Braune Robert 1794Neujahrsbüchlein 1837Dienst bei der Bürgermiliz 1814

Unser „Jrammefon“

Die hochdeutsche Sprache unterliegt in unserer Eifeler Mundart mannigfachen „Verunstaltungen.“ Der Freilufttransformator neben unserem Haus beispielsweise wurde zum „Transfomater,“ und das Grammophon hieß bei uns „et Jrammefon.“ Irgendwann muss wohl das Laufwerk im alten Trichter-Jrammefon seinen Geist aufgegeben haben, oder es gelüstete Vater nach einem der „moderneren“ Geräte mit eingebautem Trichter, die inzwischen als „Familien-Sprechapparate“ auf den Markt gekommen waren. Es gab sie sogar als „Konzertgeräte“ in Gestalt eines Edelholz-Schrankmöbels. Die aber waren für unsere einfachen Wohnverhältnisse wenig angebracht und auch zu teuer. Unser Grammophon war das unter Nr. 2a der Abbildung aus dem Jahr 1925 aufgeführte Gerät mit Doppelschnecken-federwerk. Man stelle sich vor: Echtes Eichenholz, original Electra-Schalldose, Selbstausschalter, acht Schallplatten und 400 Stahlnadeln dazu, alles für nur 43 Mark! Der eingebaute Schalltrichter mündete hinter den beiden Türchen im Vordergrund, der „Schwengel“ zum Aufziehen des Federwerks war abschraubbar. Bei geschlossenem Deckel und Fronttürchen konnte der polierte Holzkas-ten durchaus als Schmuckstück der Wohnungseinrichtung gelten.

Etwa um 1940 überraschte uns Vater mit einem weiteren Sprechapparat: Ein Koffergerät, das wir heute vornehm auf Neudeutsch als „Portable“ bezeichnen würden. Damals war es ein simples „Koffer-Jrammefon,“ immerhin aber eine stolze Errungenschaft, die uns das Musikhören auch außerhalb des Hauses ermöglichte. Das Markenzeichen des Gerätes war der weltberühmte Hund „Nipper,“ der aus dem Grammophontrichter „His Master´s Voice“ (Die Stimme seines Herrn) hört. Schallplattenhören unter freiem Himmel war für uns etwas Besonderes, bei schönem Wetter vergnügten wir uns also mit dem neuen Jrammefon auf der Wiese hinter unserem Haus. Bei einer solchen Gelegenheit entstand 1944 das einzige Foto, auf dem unser Jrammefon zu sehen ist. Die Frau im Vordergrund ist eine russische „Hi-Wi“ (Hilfswillige), und dazu fällt mir eine Geschichte ein, die eigentlich nicht in diesen Beitrag gehört. Sie klingt unglaublich und besitzt ganz sicher erheblichen Seltenheitswert, ich habe sie aber als Neunjähriger selber erlebt und verbürge mich für ihren Wahrheitsgehalt.

Unser "Koffer-Jrammefon"In unserem „guten Zimmer“ hatte die Wehrmacht eine Schreibstube eingerichtet, neben dem Holzschuppen stand eine Feldküche. Dem langen und dünnen Koch waren zwei russische Mädchen als Hilfen zugeteilt. Möglicherweise dienten sie nebenbei auch den Schreibstubenbonzen als „Unterhaltung,“ das Ereignis jedenfalls lässt diese Vermutung zu. In Stall und Scheune kampierten die Landser und mit ihnen auch die beiden HiWis, die übrigens Maria und Olga hießen. Wer von beiden auf dem Foto zu sehen ist, weiß ich nicht mehr. Auf dem Heuboden übernachtete eine Schar OT-Männer, die tagsüber in der Hardt Schützengräben aushoben und Bunker bauten. Einer von ihnen urinierte ins Heu, es tropfte durch die Balkendecke und ausgerechnet den HiWis auf die Nase. Am Morgen gab es einen ungeheuren Aufruhr, die Mädchen hatten sich beim „Oberfeld“ beschwert. Die OT-Leute mussten im Hof antreten und wurden angebrüllt, wer „die Sau“ gewesen sei. Die Sau meldete sich notgedrungen, Olga und Maria überschütteten ihn mit einer Flut russischer Schimpfwörter und schlugen ihn mehrfach ins Gesicht. Die deutschen Landser schauten tatenlos zu. Auch ich schaute zu.

Das Zubehör

Ein Grammophon ohne Schallplatten ist wie ein Auto ohne Motor: Ein nutzloses Ding. Damit sein Hochzeitsgeschenk auch zur Geltung kam, hatte Dr. Ludwig Schmitz gleich einen Stapel von schätzungsweise 80 oder mehr Schellackplatten dazu getan, ein Drittel davon existiert heute noch. In der Hauptsache handelte es sich um die üblichen 25-Zentimeter-Scheiben, es waren aber auch fünf oder sechs „Dreißiger“ dabei, ebenso etliche kleinere Scheiben mit 20 und 15 Zentimeter Durchmesser. Ungewöhnlich war eine Werbeschallplatte des damaligen Kölner Kaufhauses Carl Peters in der Zeppelinstraße, das später an Karstadt verkauft wurde. Der etwa 10 Zentimeter durchmessende Tonträger aus biegsamem Material – das war das Besondere daran, wir kannten ansonsten nur den leicht zerbrechlichen Schellack – war auf einen A5-formatigen Reklamekarton aufgeklebt. Bei 78 Umdrehungen pro Minute (andere Laufgeschwindigkeiten gab es damals nicht) spielte das Plättchen etwa 20 Sekunden lang. „Hier in Köln am Rhein kauft man glänzend ein“ plärrte es aus dem Blechtrichter, und „Meine Dame, Peters, ein Name.“ Das Haus Peters führte Bekleidung und Textilmode.
 
OperetteUnsere Plattensammlung enthielt für jeden Geschmack etwas, Tanzmusik beispielsweise, Klassik, Volks- und Blasmusik, Humor und Marschrhythmen. „Aber Köpfchen hat sie, Köpfchen, die kleine Frau“ war unter anderem ein flotter Foxtrott, „Tom der Reimer“ spielte in die Klassik hinüber, „Per Aspera ad Astra“ war ein zünftiger Marsch. „Mir drinke nur noch Bottermellech on kejnen Alkohol“ klang es in Kölner Mundart. „Es spielt bei seiner Lina der Muppel Okarina“ war mit „Muppel der Musikus“ betitelt, und der Schlussvers lautete „Der Muppel, der macht dies so wunderschön und süß.“ Die Okarina ist bekanntlich ein tönernes Musikinstrument, eine Flöte. Ein Schelm, wer bei Muppels Flötenspiel auf wundersame Gedanken käme! Ein paar Weihnachtsplatten durften selbstredend nicht fehlen, alle mit „Erzengel Gabriel“ betitelt. Es waren auch ein paar englische Titel dabei, „Dream of Love“ beispielsweise oder „As long as I have you.” Diese Platten wurden unterdessen im Versteck aufbewahrt: In falsche Hände geraten, hätten sie im „braunen Regime“ Unheil zur Folge haben
können.
                                                                                                               

Grammophonnadeln


Weiteres unabdingbares Zubehör waren die stählernen Abspielnadeln, die den Ton von den Plattenrillen auf die Membran der „Schalldose“ übertrugen. Es gab sie in dreierlei Ausführungen: Laut, mittellaut (normal) und leise, später auch noch „sehr laut“ und „sehr leise.“ Je länger und dünner die Nadel, desto leiser war der Ton, die „sehr laute“ Nadel wies in der Mitte eine zusätzliche Verdickung auf. Die Schalldose hielt die Nadel in der Plattenrille und besaß ein entsprechendes Gewicht, es war schon beinahe wundersam, dass nach zigmaligem Abspielen die Rillen überhaupt noch Töne hergaben.

HumorIn 1994 suchte das Kreismuseum Blankenheim die Schellackplatte „Wenn die Elisabeth nicht so schöne Beine hätt.“ Ein 15-Zentimeter-Exemplar davon befand sich in meinem Plattenstapel, ich vermachte es mit etlichen weiteren Platten dem Interessenten und erhielt dafür von Museumsleiter Klaus Ring die Zusage, unseren jungen Geschichts- und Kulturverein (DGKV) mit Rat und Tat zu unterstützen. Er war wiederholt in unseren Versammlungen anwesend und hat uns manchen wertvollen Tip gegeben. Zum letzten Mal war er am 08. Juni 1998 in unserer Jahresversammlung zu Gast. Er hatte eigens ein altes Familiengrammophon mitgebracht, nach dem Abspielen des ersten Musikstückes packte er, sichtlich verärgert, Gerät und Schallplatten ein und verließ die Versammlung. Ein mechanisches Grammophon lässt sich nicht beliebig laut oder leise stellen, im Zuhörerraum muss schon Ruhe herrschen. Bei uns war das Gegenteil der Fall, die Schandmäuler waren einfach nicht zum Schweigen zu bringen, und zum Schluss beschwerte man sich noch, weil man nichts verstanden habe. Es war mehr als ungehörig dem Gast gegenüber, der dann auch entsprechend reagierte. Klaus Ring ist nie mehr wieder zu uns gekommen. Ich selber hatte dicht beim Grammophon gesessen und hörte zu meiner Überraschung meine alte „O Donna Klara“ aus dem Blechtrichter klingen. Ich hatte sie seinerzeit dem Museum geschenkt, Klaus Ring hatte sie extra mitgebracht.

AndachtDie Technik bleibt nicht stehen und so war es klar, dass sehr bald elektrische Plattenspieler mit Röhrenverstärkung auf den Markt kamen. Zunächst besaßen diese Geräte noch die Stahlnadel, bis mit der Zeit die Mikroabtastung aufkam, die dann auch verringerte Umdrehungszahlen und damit „Füllschrift“ und Langspielplatten ermöglichte, - zu unserer Grammophonzeit absolute Utopie. Einen Elektro-Plattenspieler, sogar einen „Zehnplattenwechsler“ mit Stahlnadelabtastung, gab es nach dem Krieg in der Gaststätte von „Krämesch Pitter.“ Das Gerät stand bis zum Umbau des Lokals rechts neben der Theke auf einem Eckregal. „Maach os jät Musik“ forderte „Krämesch Nettche“ (die Wirtin) uns gelegentlich auf und untermauer-te ihren Wunsch mit einem Freibier. Wir kannten die wenigen Schellackplatten in- und auswendig, es waren Nachkriegs-Ohrwürmer wie O Heideröslein, Tom Dooly, Jim Jonny und Jonas, Oklahoma-Tom, Wo der Wildbach rauscht, Thomas Rock aus Alabama, Der weiße Mond von Maratonga oder Zwei rehbraune Augen. Die Aufzählung weckt Erinnerungen an manchen vergnüglichen Abend „aan Krämesch.“





Reparaturen 

Jedes Material unterliegt auf lange Sicht dem Verschleiß, und sei es auch nur der „Zahn der Zeit,“ der ihm zu schaffen macht. Aus diesem Grund gibt es ja auch kein Perpetuum mobile. Das mechanische Antriebsaggregat des Grammophons machte da keine Ausnahme. In erster Linie die stählernen Bandfedern litten unter der ständigen Beanspruchung besonders beim Aufziehen mit der Kurbel. Das Federwerk funktionierte ähnlich wie die heute noch übliche Bandtrommel am Fensterladen. Die mehrere Meter lange starke Bandfeder wurde beim Aufziehen auf die Mittelachse gewickelt und drehte beim Ablaufen das Trommelgehäuse um die Achse. Das Gehäuse war mit einem äußeren Zahnkranz versehen, der das Getriebe in Gang setzte. Moderne Geräte besaßen ein „Doppelfederwerk“ für längere Laufzeiten. Für den Gleichlauf des „Motors“ sorgte ein „Stabilisator,“ – drei an einer Drehachse mittels dünner Blattfedern aufgehängte relativ schwere Gewichte. Auch diese Federchen gaben, wie ihre „dicke Schwester“ in der Trommel, häufigen Anlass für unliebsame und knifflige Reparaturen. Während der Stabilisator in der Regel komplett ausgetauscht werden musste, genügte bei der Trommel der Einbau einer Ersatzfeder.

Wenn unser „Jrammefon“ zu „eiern“ begann, war meistens die Bandfeder verschlissen und abgenutzt. Wenn das „Schwengeln“ endlos wurde, war die Feder gebrochen oder die Aufhängungen an Achse oder Trommel waren beschädigt. Wenn trotz aufgezogener Feder der Plattenteller sich nicht mehr drehte, war der Stabilisator hinüber. Wo es in unserem Bereich damals die Ersatzteile zu kaufen gab, weiß ich nicht mehr. Jedenfalls erschien Vater wenig später beispielsweise mit einer neuen Bandfeder, deren Einbau in die Trommel einiges Know-how voraussetzte. Schon der Ausbau der alten Feder, die ja noch in der Trommel steckte, war problematisch: Einmal angehoben, zischte nämlich das Stahlband mit erheblicher Wucht aus dem Gehäuse und konnte zu argen Hand- oder sogar Gesichtsverletzungen führen. Vater sicherte das Arbeitsfeld stets gut mit einer Decke ab. Die neue Feder war so eng aufgespult und gesichert, dass sie in die Trommel eingelegt werden konnte. Beim Lösen der Sicherungen hieß es aufpassen, dass die jetzt offene Feder nicht aus dem Gehäuse heraus sprang, sonst nämlich wurde es bitter. Bei unserem Koffergerät habe ich einmal die schon geöffnete Feder herausnehmen müssen, weil ich sie falsch herum eingelegt hatte. Der Wiedereinbau hat mich einen halben Tag Ärger, Schweiß und lädierte Finger gekostet.

Gelegentlich wurde auch versucht, eine angerissene oder gar zerbrochene Schallplatte zu reparieren, - meist mit nur jämmerlichem oder gar keinem Erfolg. Schellack ist ein sehr sprödes und zerbrechliches Material, unsere Schellackplatten wurden „wie rohe Eier“ behandelt. (Erst durch „Google“ erfuhr ich jetzt, dass der Schellack von Schildläusen produziert wird). Trotz aller Sorgfalt brach hier und da ein Stück heraus, die schwarze Scheibe bekam einen „Basch“ (Sprung, Riss) oder brach sogar mittendurch. Dann war „der Hund los,“ denn die Platten waren kostbar. Ich erinnere mich noch, dass mir der Titel „Wer hat bloß den Käse zum Bahnhof gerollt“ in Scherben ging, - auweia! Zufällig widerfuhr aber ein paar Stunden später dem grollenden Familienoberhaupt ein ähnliches Unglück, da war mein „Bruch“ gegenstandslos geworden. Glück im Unglück.

Wenn der Bruchstücke nicht allzu viele waren, gelang manchmal die Reparatur durch Kleben. Dabei mussten wir auf Heißleim aus Vaters Werkstatt zurückgreifen, die modernen Kleber von heute gab es damals noch nicht. Schwierig war dabei das rillengenaue Aneinanderpassen der Bruchstücke möglichst unter Vermeidung eines Klebewulstes, der sich später beim Abspielen unliebsam bemerkbar machte. Da sprang nämlich leicht die Abspielnadel in die falsche Rille über, und das führte zu unmöglichem Tonmischmasch. Oft sprang auch die Nadel immer wieder in dieselbe Rille zurück. Da kam dann beispielsweise heraus: „ein Mensch wie du ein Mensch wie du ein Mensch…“ Das war unser geklebter „Straßenmusikant,“ dem musste man durch leichten Druck an der Schalldose in die richtige Rille hinüber helfen.




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